GEHEIMNISSE DER MALER –
KÖLN IM MITTELALTER

Furcht einflößend fletscht die Bestie ihre spitzen Zähne, Flammen sprühen aus dem Maul und in den rot unterlaufenen Augen funkelt das pure Böse. Riesig baut sich das Ungeheuer vor den Menschen auf, aber in Wirklichkeit handelt es sich bei dem Teufel um ein durchs Mikroskop betrachtetes Detail aus Stefan Lochners „Weltgericht“ (um 1435). Diesen und weitere atemberaubende Einblicke bietet das Wallraf-Richartz-Museum mit seiner kommenden Ausstellung: „Geheimnisse der Maler – Köln im Mittelalter“. Vom 20. September 2013 bis zum 9. Februar 2014 können die weltberühmten Meisterwerke der Altkölner Malerei mit anderen Augen gesehen werden.

Die Ausstellung ist ein Novum, denn sie präsentiert erstmals die spannenden Forschungsergebnisse, welche ein Team von Kunsttechnologen, Naturwissenschaftlern und Kunsthistorikern in einem mehrjährigen Projekt zutage gefördert hat. Wie bei der Spurensuche in einem Kriminalfall analysierten die Wissenschaftler mit modernstem technischem Equipment mehr als dreißig Gemälde, die vor rund 600 Jahren in der Domstadt entstanden. Neben den Originalen können die Besucher faszinierende Infrarotaufnahmen und enthüllende Röntgenbilder sowie riesige Details der Bilder studieren oder in einer rekonstruierten Werkstatt die raffinierten Tricks und Methoden der Maler kennenlernen. Abgerundet wird die moderne Präsentation mit digitalen Animationen, Einspielfilmen, Hands-Ons, Exkursen zu Materialien und Techniken und einem speziellen Kinder-Parcours samt Mitmachheft.

Die mitreißende Präsentation erklärt, wie die Werke entstanden, wie sie ursprünglich aussahen, wozu sie dienten, wie sie gebraucht wurden und wie die Maler zusammenarbeiteten. Den Forschern gelang es sogar ganze Altarbilder, die nur in Fragmenten erhalten waren, zu rekonstruieren. Andere Werke konnten sie präzise neu datieren oder anderen Malern als bisher vermutet zuordnen.

 pdf-Datei: Sonderveröffentlichung im Kölner Stadtanzeiger vom 17.10.2013


In vier Kapiteln und drei Exkursen führen die „Geheimnisse der Maler“ ihre Besucher durch die unbekannte Welt der mittelalterlichen Meister. Die Ausstellung beginnt mit der Verortung des Geschehens: Denn nur einen Steinwurf vom Wallraf-Richartz-Museum entfernt, wo sich heute eine der größten Einkaufsmeilen Europas befindet, lebten und arbeiteten einst die meisten Maler. „Schilderer“ wurden sie genannt und gaben damit der Straße ihren Namen: Schildergasse. Die Maler waren erstaunlich gut organisiert, erfindungsreich und in allem extrem sorgfältig. Mühsam mussten sie ihre Farben aus teils hoch giftigen Zutaten selbst „anreiben“. Schildläuse waren zum Beispiel der Lieferant für ein kostbares Rot. Aber trotz der widrigen Lebensumstände schufen sie riesige Altarbilder mit reich verzierten Goldgründen oder minutiös bemalte Möbel, Wappen und Gefäße. Selbst bei mikroskopischen Untersuchungen fanden die Wissenschaftler in den Gemälden kaum ein Schmutzkorn oder andere Partikel – angesichts der hygienischen Verhältnisse damals ein kleines Wunder.

Im zweiten Ausstellungskapitel wird die lange und komplexe Geschichte der Gemälde anschaulich präsentiert. Ursprünglich für Kirchen, Kapellen oder fromme Stifter gemalt, haben sie im Laufe der Jahrhunderte ihren Kontext und meistens auch ihre Unversehrtheit verloren. Denn um Tafelbilder besser zu Geld machen zu können, wurden sie nach der Säkularisation (1802) geteilt, zersägt und gespalten. Umso schöner sind jene Momente, wenn getrennte Bildteile wieder vereint werden: So bringt die Ausstellung nach Jahrzehnten endlich wieder zwei Flügel eines Lochner-Altares zusammen. Ferner konnten die Wissenschaftler ein bislang als Einzeltafel geltendes Gemälde zum Mittelstück eines ursprünglichen Triptychons erklären. Die stichhaltige Beweiskette kann anhand von Röntgenaufnahmen verfolgt werden. Die Fotos belegen eindeutig alte Verbindungsspuren von Scharnieren an den Außenseiten des Zierrahmens. Dort waren also früher zwei Flügeltafeln angebracht.

„Wer war am Werk?“, dieser Frage geht die Schau im dritten Abschnitt nach. Da die Maler sich als Handwerker und nicht als Künstler verstanden, signierten sie ihre Werke auch nicht. So sind zwar die Bilder heute berühmt, aber bis auf Stefan Lochner können wir keinem anderen Meister ein Werk konkret zuweisen. Deshalb behilft sich die Forschung mit sogenannten „Notnamen“. Der „Meister der heiligen Veronika“ zum Beispiel erhielt seinen Namen nach dem wichtigsten Werk, das er schuf. Doch hinter einem solchen Titel können sich auch mehrere Personen einer Werkstatt verbergen. So wiesen die Forscher in zahlreichen Gemälden die Arbeit von mehreren Händen nach. Teils wurde dabei sogar mit Schablonen gearbeitet, um effizienter sein zu können und in Bilderserien eine bessere Wiedererkennbarkeit der dargestellten Personen zu gewährleisten.

Im vierten und letzten Kapitel verrät die Ausstellung die Geheimnisse des genialen Stefan Lochner. Infrarotaufnahmen, Röntgenbilder und der Blick durch das Mikroskop bringen uns dem Genie der Altkölner Malerei so nahe wie noch nie. Schon alleine seine Unterzeichnungen sind einzigartige Kunstwerke. So hat er in seinem detailreichen „Weltgericht“ sämtliche Formen minutiös vorgezeichnet und mit feinsten Schraffuren modelliert. Überwältigend ist vor allem Lochners grandioses Geschick im Umgang mit Farben und Blattgold. Schönes Beispiel ist die kaum zwei Zentimeter große Brosche der „Muttergottes in der Rosenlaube“ (um 1440), deren Perlen und Edelsteine noch heute funkeln als wären sie echt. Den Vergleich mit ebenfalls ausgestellten Goldschmiedearbeiten von damals braucht Lochners Brosche nicht zu scheuen.