MARGUERITE GÉRARD
UND JEAN-HONORÉ FRAGONARD
Nachdem sich der offizielle Salon in Paris in den 1790er-Jahren auch weiblichen Künstlern geöffnet hatte, stellte Marguerite Gérard (Grasse 1761 – 1837 Paris) regelmäßig dort aus – Werke in einem ganz persönlichen Stil, der geprägt war durch sorgfältig herausgearbeitete Details, gesetzt in zartem Pinselduktus. Vorbild hierfür war ihr die holländische Genremalerei des 17. Jahrhunderts, namentlich die Kunst des Gabriel Metsu. Gérards relativ kleinformatige Gemälde ließen sich leicht transportieren, was privaten Sammlern gefiel, die es vorzogen, in ihren Räumlichkeiten reizvolle Stillleben und ansprechende Genreszenen anstelle großer Historienbilder zu hängen. Zudem entstanden zahlreiche Stiche nach Werken Gérards, was ihre Bekanntheit noch steigerte. Gérard, die nie eine akademische Ausbildung genoss, konnte am Ende ihres Lebens auf eine überaus erfolgreiche künstlerische Laufbahn zurückblicken; prominente Zeitgenossen wie Napoleon Bonaparte oder König Ludwig XVIII von Frankreich gehörten zu ihren Kunden.
Gérards Kunstauffassung wurde entscheidend durch ihren Schwager geprägt, den berühmten Rokokomaler Jean-Honoré Fragonard (Grasse 1732 – 1806 Paris). Vielfach arbeiteten die beiden sogar gemeinsam an Werken. 1775 zog Gérard von Grasse nach Paris, wo sie fortan in der Familie ihrer Schwester lebte. Als Mitglied des Fragonard’schen Haushalts war es ihr beschieden, sich in finanzieller Unabhängigkeit ihrer Malerei widmen zu können.
Fragonard selbst, ehedem Schüler des berühmten François Boucher, verkörperte den freiheitlichen Geist des Zeitalters der Aufklärung. Ein vitaler und lebhafter Stil zeichnete sowohl seine Gemälde als auch seine Zeichnungen und Druckgraphiken aus. In seinem Schaffen ebenso innovativ wie produktiv, hatte Fragonard früh den konventionellen Weg – wie er den Strukturen der Königlichen Akademie entsprach – verlassen und arbeitete überwiegend für private Sammler. Seine Werke, die Leichtigkeit, Lebensfreude und Sinneslust ausstrahlen, stehen für eine Weiterentwicklung jener Ausdrucksformen des Rokoko, die François Boucher und Antoine Watteau mit ihrer Bildwelt erschaffen hatten. Bisweilen wird in der zarten Farbigkeit und dem frischen, skizzenhaften Pinselduktus Fragonards eine Vorwegnahme des Impressionismus gesehen.