Der Kunstsammler Bührle


Emil Bührle baute in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine der weltweit wichtigsten privaten Sammlungen europäischer Malerei auf. In ihrem Mittelpunkt steht der französische Impressionismus und Nachimpressionismus. Indem Bührle diesen ins Zentrum rückte, folgte er einer um 1950 verbreiteten Bewertung, die in dieser Malerei den Ursprung aller modernen, für die eigene Zeit wichtigen Kunst sah. Namentlich die drei großen Nachimpressionisten Paul Cézanne, Paul Gauguin und Vincent van Gogh galten damals als eigentliche »Väter« der modernen Kunst. Um diesen Schwerpunkt gruppierte Bührle französische Künstler des 19. Jahrhunderts, die den Impressionismus vorbereitet oder ihn begleitet hatten, außerdem Bilder älterer Meister, die dem Impressionismus vergleichbare Stilmittel erkennen lassen.
Und obwohl er kein Sammler zeitgenössischer Malerei war, reagierte Bührle indirekt auch auf die damals aktuelle Kunstszene, indem er seiner Sammlung zwischen 1951 und 1956 Beispiele der künstlerischen Avantgarde vom Beginn des 20. Jahrhunderts hinzufügte. Diese galt inzwischen als historische Grundlage für die abstrakte Malerei seit 1945. Zur Sammlung gehört außerdem eine Gruppe mittelalterlicher Skulpturen, die Emil Bührle teilweise auch zur Ausstattung der christkatholischen Kirche in Zürich-Oerlikon erwarb.
Die ungekürzten Fassungen der Biografie Emil G. Bührles, der Geschichte seiner Sammlung und der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, finden Sie unter www.buehrle.ch.

 

Die Sammlung Bührle

Nov. 1936

Emil Bührle beginnt mit ersten Kunstkäufen. Sie richten sich auf Werke französischer Maler rund um die Schule von Barbizon, auf Corot und Courbet, umfassen aber auch Gemälde klassischer Impressionisten wie Monet, Pissarro, Renoir und Sisley. Die meisten Käufe tätigt Bührle damals bei der Zürcher Galerie von Toni Aktuaryus. Kostspieligere Bilder erwirbt er bei Siegfried Rosengart in Luzern, darunter Werke von Manet, van Gogh und Cézanne.

Juni 1939

Bührle ist unter den Käufern auf der Auktion sogenannter Entarteter Kunst aus deutschen Museen in der Galerie Fischer in Luzern.

1939–1945

Während des Zweiten Weltkriegs erwirbt Bührle im schweizerischen Kunsthandel rund 80 Bilder, darunter zahlreiche französische Impressionisten; in Paris kauft er im Herbst 1941 fünf Bilder.

1945–1951

Auf Druck der Alliierten wird gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz gezielt nach Kunstwerken gefahndet, die von deutschen Stellen in besetzten Gebieten geraubt wurden. Es werden 77 Raubkunst-Bilder identifiziert, 13 davon bei Bührle. Eine eigens eingerichtete Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen am Schweizerischen Bundesgericht konstatiert 1948 den völkerrechtswidrigen Raub jener Bilder und leitet daraus die Pflicht zur Restitution ab. Mit anderen Schweizer Sammlern wird Emil Bührle zur Rückgabe der entsprechenden Werke verurteilt. Ein von Bührle angestrengter Prozess gegen die ehemaligen Verkäufer, darunter vor allem die Galerie Fischer in Luzern, endet mit dem Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts, dass er vom Kunstraub in Frankreich während des Krieges nicht gewusst haben konnte und ihm daher eine Rückvergütung der Kaufpreise zustand. Parallel macht Bührle den jetzt ermittelten Besitzern, darunter an erster Stelle der Kunsthändler Paul Rosenberg, das Angebot, die geraubten Bilder ein zweites Mal zu kaufen. Von den 13 Raubkunst-Bildern gehen so neun in sein rechtmäßiges Eigentum über, vier gibt er zurück. Die letzte dieser Transaktionen ist im Februar 1951 abgeschlossen.

1951–1956

Während die Zahl der erworbenen Werke nach Kriegsende vorübergehend zurückgeht, steigt sie mit dem Jahr 1951 sprunghaft an und umfasst jetzt regelmäßig rund 100 Bilder und Skulpturen pro Jahr. Viele Kaufentscheidungen trifft Bührle auf Auslandsreisen, wenn er am Rande geschäftlicher Verpflichtungen Galerien besucht. Neben Paul Rosenberg gehören zum engeren Kreis führender Händler, bei denen Bührle einkauft: Germain Seligman in New York, Georges Wildenstein in New York und Paris, Frank K. Lloyd von Marlborough Fine Art in London, Max Kaganovitch in Paris sowie Walter Feilchenfeldt und
Fritz Nathan in Zürich. Ein besonderes Vertrauensverhältnis verbindet Bührle mit dem Kunsthändler Arthur Kauffmann.

Juni 1954

Bührle hält an der Universität Zürich den Dia-Vortrag »Vom Werden meiner Sammlung«, in dem er die kunsthistorischen Prinzipien erläutert, die ihn bei der Auswahl der Kunstwerke geleitet haben. Der Text ist die einzige überlieferte Äußerung Bührles zu seiner Sammlung und verrät ein präzises Bewusstsein für die beim Sammlungsaufbau verfolgten Ziele.

Nov. 1956

Bei seinem Tod (28.11.1956) hinterlässt Bührle keinerlei Verfügung, was mit seiner Kunstsammlung zu geschehen hat.

Juni 1958

Der von Bührle dem Kunsthaus Zürich gestiftete Ausstellungssaal wird mit der Präsentation eines Großteils der Sammlung Bührle eingeweiht; kleinere Präsentationen schließen in München und in Berlin an.