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DER LIEBE GOTT STECKT IM DETAIL

Stefan Lochner
Die Muttergottes in der Rosenlaube
, um 1440 – 1442

1935 zeigte Walter Benjamin, wie das Originalkunstwerk durch massenhafte Reproduktion seine Aura verliert: eine in Zeiten des Internets besonders aktuelle Beobachtung. Als berühmtestes Gemälde Kölns, ja Markenzeichen mittelalterlicher Kölner Malerei weltweit, ist dieses Madonnenbild unzählige Male reproduziert worden. Wie gelingt es der „kölschen Mona Lisa“ dennoch, ihre Aura zu bewahren?

Die zahllosen Details können in keiner Reproduktion, sondern nur vor dem Original gewürdigt werden – von den Blumen zu Füßen Mariens über die Musikinstrumente der Engel, die kostbare Brosche und die Himmelskrone bis hin zu den Verzierungen des Goldgrundes. Und nichts davon ist Selbstzweck: Betrachten Sie das in den Heiligenschein Mariens gedrückte Ornament. Es ist eine vereinfachte Darstellung des Mondzyklus und verweist auf die mittelalterliche Verbindung zwischen Astronomie und Theologie. Die winzige Brosche wiederholt das Hauptbild auf symbolische Weise, indem sie eine Jungfrau mit dem Einhorn zeigt. Beide sind gestisch ähnlich verbunden wie Maria und das Jesuskind – eine Anspielung auf die „mystische Hochzeit“ zwischen Christus und der Kirche. Hinzu kommt eine ausgeklügelte Bildgeometrie. Sie bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen Mathematik, Musik und Himmelsarchitektur und weist die bescheidene Laube als Paradies aus.

Wie ein komplexes Uhrwerk greifen all diese Elemente ineinander und ergeben eine extrem vielschichtige theologische Aussage. Hinter dem lieblichen Gesamteindruck hat der Künstler ein gigantisches Programm verborgen: Die Phasen der Heilsgeschichte werden wunderbar komprimiert. Damit entzieht sich das Bild menschlicher Zeitrechnung – und Reproduktionstechnik.

Stefan Lochner (Hagnau (Bodensee) um 1400/1410 – 1451 Köln): Die Muttergottes in der Rosenlaube, um 1440 – 1442, Eichenholz, 50,5 x 40 cm. Erworben 1848 als Vermächtnis des Herrn F. J. von Herwegh. Inv. Nr. WRM 0067. Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln

Stefan Lochner
Hagnau/Bodensee um 1400/1410 1451 Köln

Die Muttergottes in der Rosenlaube
um 1440 1442, Eichenholz, 50,5 x 40 cm
Erworben 1848 als Vermächtnis des Herrn F. J. von Herwegh
Inv. Nr. WRM 0067
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln